Kann Yoga und Meditation eine „Blase“ erzeugen?
In einer Titelstory des Magazins „der Spiegel“ vom 30. September 2023 geht es um die Risiken von Yoga und Meditation. Auf den Titel sieht man dazu Meditierende, die in einer Seifenblase durch den Himmel schweben. Bei einer Person zerplatzt die Blase und sie fällt auf den Boden.
Der Begriff „Blase“ wird zumeist für Menschen verwendet, die für Logik oder Fakten nicht mehr erreichbar sind. Andere Meinungen als die eigene werden nicht mehr an sich heran gelassen. Dies führt in eine Art Hamsterrad. Weil nur noch Informationen durchdringen, die die eigene Haltung verstärken kommt es zu einem Echokammer-Effekt: Fakten haben keine Chance mehr und werden durch ein Trugbild („alternative Fakten“) ersetzt. Dies mündet zwangsläufig zu einem Konflikt mit der Realität. Die Blase muss platzen.
Die menschliche Psyche erzeugt immer eine Blase, diese dient dem eigenen Selbstschutz. Wir nehmen nur so viele Impulse bewusst wahr, wie wir auch verarbeiten können. Deshalb werden nur bestimmte Eindrücke verwertet, andere werden ignoriert. Die Blase selber wird erst dann zum Problem, wenn sie undurchlässig wird. Mit zunehmenden Alter nimmt die Durchlässigkeit ab. In welchem Maße dies geschieht hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, die durch Yoga und Meditation beeinflusst werden können.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben belegt, dass Yoga und Meditation das Level der eigenen Aufmerksamkeit erhöht und das bis ins hohe Alter. Die Selbstwahrnehmung wird gestärkt und die eigene Echokammer-Blase kann besser erkannt werden. Ob diese Erkenntnis Auswirkungen auf die Durchlässigkeit der Blase hat liegt in der Entscheidung des Meditierenden. Es entsteht eine individuelle Souveränität, die sich aus gesellschaftlicher Sicht positiv oder negativ auswirken kann.
Die Grundlagen unserer Gesellschaft bilden ebenfalls eine Art Blase, die nicht in Frage gestellt werden darf, wenn das Zusammenleben weiterhin funktionieren soll. Dazu gehören soziale, politische und wirtschaftliche Aspekte, die wie unsichtbare Grenzen funktionieren. Dies mag offensichtlich sein, aber aus dem Blickwinkel zunehmender individueller Freiheit ist es das nicht. Moral und Werte basieren auf Vereinbarungen und nicht auf einem festgelegten Determinismus.
Psychoaktive Techniken, die die individuelle Souveränität erhöhen, können die Angst vor einem Auseinanderbrechen des gesellschaftlichen Zusammenhalts schüren. In totalitären Staaten werden solche Techniken manchmal staatlich bekämpft, wie z.B. die Falun Gong Bewegung in China.
Die Autoren des oben genannte Spiegel-Artikels erwähnen in diesem Zusammenhang die Angst vor einem zunehmenden Egoismus durch Yoga und Meditation. Was sie aber eigentlich meinen ist die Angst vor der Entscheidungsfreiheit der Bürger. Wer sich für oder gegen die allgemein gültige Blase entscheiden kann, ist zumindest theoretisch ein Unsicherheitsfaktor. In Zeiten einer allgemeinen Verunsicherung durch Kriege und wirtschaftlichem Niedergang wird diese Verunsicherung noch verstärkt. Alles, was scheinbar fremd ist, verstärkt die Unsicherheit. Alle Faktoren zusammen genommen können einen dann auf die Idee bringen, dass indisches Yoga problematisch ist.
Den Zeitgeist kann man indes nicht zurück drehen. Einmal erlangte Souveränität kann nicht wieder zurück gefordert werden. Wer die neuen Werte einer auf Verhandlung und Freiheit basierenden Gesellschaft verpasst, findet sich irgendwann in seiner eigenen Blase wieder.
Wenn sich die Dinge weiter entwickeln, kommt es zu Machtverschiebungen. Aus Minderheiten werden Mehrheiten. Yoga wird populärer als Fußball und Homöopathie ist das neue Aspirin. Manchmal kommt es schneller, als man denkt.